24.08.02 10:23 Type" CONTENT="text/html; charset=windows-1252"> Martin Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium

De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium

Martinus Lutherus, August(inianus)

(Teil 1: Abendmahl)

Exzerpt nach: Martin Luther, Studienausgabe, Hrsg. Hans-Ulrich Delius, Berlin 1982, Bd.2, S.172ff. (vgl. WA 6,497)

 

Die Ablässe sind die Schlechtigkeiten der römischen Schmeichler ("INDVLGENTIAE SVNT ADVLATORVM ROMANORVM NEQUICIAE").

Das Papsttum ist das Reich Babylons ("certus sum, papatum esse regnum Babylonis").

Luther nimmt Bezug auf Alvelds "Tractatus de communione sub utraque specie". Sich selbst widersprechend sagt A. einmal, einerlei Gestalt für die Laien sei von Christus geboten, dann wieder das Gegenteil. Nur das Brot für die Laien begründet A. mit Johannes 6,35; V.53ff. legt er zweifelhaft so aus, daß der Laie im Brot beide Gestalten habe. Dabei deutet Christus selbst in V.29 das Bild des Brotes auf den Glauben an ihn. A. verwendet Schriftworte gegen den Zusammenhang und will mit dem Schriftbeweis seine Dummheit zieren. Schließlich deutet er 1.Kor.11 um: Paulus habe mit "ich habe euch weitergegeben" gemeint "ich habe erlaubt".

Luther will mit dieser Schrift nun den verblendeten Papstanhängern Schreibstoff liefern und ihrem Kot ("stercoribus") etwas Vernünftiges entgegensetzen.

Es gibt keine sieben Sakramente, sondern nur drei: Taufe, Buße, Brot; diese sind von der Kurie in die Gefangenschaft geführt. Nach der Schrift gibt es nur ein Sakrament und drei sakramentale Zeichen ("signa sacramentalia").

Vom Sakrament des Brotes

Im vorherigen Sermon über das Abendmahl hing Luther noch im alten Glauben, nun will er sich notfalls auch gegen den Papst stellen.

Joh.6 spricht nicht vom Abendmahl (s.o.), zumal es noch gar nicht eingesetzt war und mit V.53 alle verdammt wären, die nicht am Abendmahl teilnehmen können. Nur das Essen des Glaubens macht lebendig ("At nulla manducatio uiuificat, nisi fidei").

Zwei Schriftstellen sprechen vom Abendmahl: die Abendmahlsberichte der Evangelisten und 1.Kor.11. In beiden gibt Christus eindeutig den Jüngern das ganze Sakrament, und der Kelch - nicht das Brot! - hat den Zusatz, daß alle daraus trinken sollten bzw. tranken. Das bezieht sich nicht nur auf die Priester. Wenn man hier das Gebot Christi auflöst, kann man es auch anderswo tun, z.B. bei der Taufe: "Vna enim individua tollit in scripturis maxime, uniuersalem." Ferner ist nach Mt 26,28 und Lk 22,20 das Blut allen (vgl. Mt 26,27) gegeben, für die es vergossen ist. Wenn die Kirche den Menschen den Inhalt des Sakraments, den Sündenerlaß gewährt, warum nicht auch das Zeichen, das doch geringer ist als der Inhalt? In 1.Kor.11 meint Paulus wie auch an anderen Stellen mit "weitergegeben" "geboten" ("tradidisse est praecepisse").

Die Römer sind Ketzer, weil sie ihre Erfindung gegen die Schrift stellen ("uos Romani estis haeretici,...qui solo uestro figmento praesumitis, contra euidentes dei scripturas"), nicht die Griechen und Böhmen, die beiderlei Gestalt nehmen. Auch Cyprian berichtet vom Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Weder Papst noch Konzil dürfen also den Laien beiderlei Gestalt verwehren, zumal das Konzil von Basel dies den Böhmen zugestanden hat!

So besteht die erste Gefangenschaft dieses Sakraments darin, daß die Kirche den Laien ihr Recht auf das ganze Sakrament vorenthält. Diese soll ein Konzil aufheben. Man soll es sich aber nicht mit Gewalt erzwingen. Die Priester sündigen hierin, nicht die Laien; Christus hat die Häufigkeit des Abendmahlsgenusses freigestellt (1.Kor.11,25), und der Begehrende und Glaubende hat das vollkommene Sakrament.

Die zweite Gefangenschaft besteht in der Transsubstantiationslehre und berührt das Gewissen. Auf dem Altar sind wahres Brot und wahrer Wein, nicht bloß deren Akzidentien; in ihnen ist wahrer Leib und wahres Blut Christi ("in quibus Christi uera caro, uerusq(ue) sanguis"). Die thomistische Transsubstantiationslehre widerspricht der aristotelischen Lehre von Subjekt und Akzidentien und hat keinen Grund in der Schrift. Man kann aber ruhigen Gewissens beide Meinungen ohne Gefahr für das Heil ("citra periculum salutis") vertreten: "sit hic nulla necessitas fidei". Luther fürchtet nicht den Vorwurf der Ketzerei, da die Kirche hier Ketzerin ist (s.o.), von der er sich distanzieren will. Grund für seine Auffassung ist die Schrift: Evangelium und Apostelgeschichte sprechen von Brot, Paulus nennt es auch hinterher Brot.

Die Gefahr der Götzenverehrung, die auch als Grund für die Tr.-Lehre angführt wird, besteht nicht, wenn der im Brot verborgene Christus anstelle des Brotes angebetet wird. Der gemeine Mann kann mit solch subtiler Philosophie nichts anfangen und bleibt bei dem einfältigen Glauben, daß im Abendmahl wahrhaftig Leib und Blut Christi enthalten ist. Menschliche Lehren sollen nicht zum Richter göttlicher Dinge werden; wir müssen die göttliche Wirkungsweise nicht begreifen: "Maior est spiritussanctus quam Aristoteles". Der Glaube nimmt es einfach an.

Indem Christus das Brot den Jüngern gibt und sagt: "Das ist mein Leib", sagt er deutlich: "Dieses Brot ist mein Leib"("iste panis est corpus meum"), wie auch Christus als Mensch Gott und als Gott Mensch war.

Die dritte Gefangenschaft des Sakramentes ist sein Mißbrauch als gutes Werk und Opfer ("opus operatum"). Von hier hat der Verdienstgedanke mit allen Finanzgeschäften die Kirche völlig durchdrungen; hier muß die Kirche völlig neu gestaltet werden. Luther will die Wahrheit ans Licht bringen, um jeden vom Unglauben zu befreien.

Wir müssen zur wahren Bedeutung des Sakramentes zurückkommen, wie sie in den Einsetzungsworten gegeben ist, und alle menschlichen, sichtbaren Zusätze entfernen, Meßgewänder und andere Pracht ("pompa").

Das Abendmahl ist ein Sakrament Christi (Lk 22,20). Ein Testament beinhaltet dreierlei: 1. den Tod des Testators, 2. die Verheißung der Erbschaft, das ist hier die Sündenvergebung (Mt 26,28), 3. die Einsetzung von Erben, das ist hier "für euch und für viele". Alle alten Verheißungen haben ihre Gültigkeit von diesem Testament her. Da das Testament den Tod des Testators einschließt, mußte Gott sterben, und dazu mußte er Mensch werden.

Wenn das Abendmahl eine Verheißung ist, sind der einzig richtige Zugang keine Werke, sondern der Glaube ("sola fide") an das verheißende Wort Gottes, das er uns in seiner Barmherzigkeit anbietet. Dieses steht am Anfang, darauf folgt der Glaube, daraus die Liebe mit ihren Werken.

Darauf richten sich die Verheißungen an Adam (Gen. 3,15), Noah, Abraham, Mose und David. Sie sind erfüllt im "Neuen Testament", das Jesus in seinem Blut einsetzt, indem nicht mehr wie im Alten zeitliche Güter verheißen werden (das Land Kanaan), sondern das Heil als himmlische Erbschaft für die, die an die Verheißung glauben. Diese Verheißung bestätigt Christus in seinem Tod und hinterläßt uns das Abendmahl als Zeichen und Erinnnerung, um sie uns gewiß zu machen. Nur im Glauben kann und soll man sie dankbar in Anspruch nehmen.

Das ist im Gebrauch der Messe fast völlig verlorengegangen und verkehrt worden. Wenn die Verheißung nicht laut gesprochen wird, können wir keinen Glauben üben, und dann kann auch keine Liebe und Hoffnung folgen und kein rechter Gottesdienst geschehen. "Haec duo sunt simul necessaria, promissio (et) fides. sine promissione enim credi nihil potest, sine fide autem promissio inutilis est..." Wer ohne Glauben an die Verheißung zum Abendmahl geht, macht Gott zum Lügner und geht zu seinem Gericht hin.

Gottes Verheißungen bestehen immer aus zwei Teilen (so auch im Abendmahl, der höchsten Verheißung): das Wort (als Testament), hier das Wort Christi, und das Zeichen (als Sakrament), hier Brot und Wein. Größere Kraft liegt im Wort, das im Glauben angenommen wird, als im Zeichen. Statt darauf haben sich die Sententiaren auf den opus-operatum-Gedanken und die Transsubstantiationslehre konzentriert. Die dankbare Inanspruchnahme der Verheißung im Glauben, nachdem man an der eigenen Unwürdigkeit verzweifelt ist, überwindet alle Anfechtungen.

Wo dieser Glaube verlorenging, mußten die Werke folgen und das Abendmahl als opus operatum, in denen die babylonische Gefangenschaft besteht. Das Empfangen der Verheißung ist kein Werk: "fides autem non est opus"! "non offerimus bonum opus, aut co(m)municamus actiue, sed...promissiones (et) signu(m) accipimus, (et) co(m)municamur passiue". Wenn in der Messe nur göttliche Verheißung und menschlicher Glaube sind, kann ich sie auch nicht als Werk einem anderen zuwenden; sie gilt immer nur "credenti soli propria fide" (gegen die Votivmessen und deren Einkünfte). Die Werke der Gebete bei der Messe geschehen aus dem Glauben, der im Sakrament empfangen und vermehrt wurde.

Christus hat das erste Abendmahl nicht als Opfer Gott dargebracht, wie es jetzt praktiziert wird, sondern den Jüngern Testament und Verheißung gegeben. Das Opfer sind nach 1.Kor.11 die gesammelten Speisen. Die Elevation der Elemente hat entweder den Sinn, nach jüdischem Brauch Gottes Gaben im Gebet dankbar zu empfangen, oder aber durch die Elevation die Gemeinde zum Glauben zu reizen; deshalb ist es gut, die Messe auch auf Deutsch zu halten. Vor der Messe sind Priester und Laien gleichermaßen Empfänger, auch bei Privatmessen. Votivmessen sollen als Privatmesse mit besonderer Fürbitte praktiziert werden.

Man kann auch von einem gottlosen Priester die Messe als Testament und Sakrament empfangen. Doch dient die Unterscheidung von opus operatum und opus operantis nur dazu, das gottlose Leben der Priester zu rechtfertigen. Die Messe ist "summa (et) co(m)pendi(um) Euangelii"; das soll in der Predigt ausgelegt werden. Das erhörliche Gebet muß von einem gläubigen Priester gesprochen werden.

Zusammenfassung: "No(n) ergo sunt co(n)fundenda illa duo, Missa (et) oratio, sacramentu(m) (et) opus, testamentu(m) (et) sacrificiu(m), quia alteru(m)uenit a deo ad nos per ministeriu(m) sacerdotis, (et) exiget fide(m). Alteru(m) procedit a fide nostra ad deu(m) per sacerdotem, (et) exigit exauditionem. Illud descendit, hoc ascendit." Würdig zum Abendmahl geht der, der über seine Sünde bekümmert ist. Die Verheißung des Sakraments bietet Erlassung der Sünden an, die ich im Glauben annehmen kann. Durch Werke kann ich mein Gewissen nicht befriedigen: "Fides enim sola est pax co(n)scie(n)tiae".

Zusammenfassung: Die drei Gefangenschaften des Abendmahls

1. Der Kelchentzug

- Nach der Schrift (Einsetzungsworte bei den Evangelisten und Paulus) sollen alle aus dem Kelch trinken, für die Christus sein Blut vergießt

- Das Zeichen ist doch geringer als der Inhalt (der Sündenerlaß) - warum enthält es die Kirche den Laien vor?

- Aufgrund der Schrift dürfen weder Papst noch ein Konzil (das den Kelchentzug aufheben soll) den Laienkelch verweigern; man soll es aber nicht mit Gewalt erzwingen, da der Glaubende und Begehrende das volle Sakrament hat

2. Die Transsubstantiationslehre

- In wahrem Brot und wahrem Wein sind wahrer Leib und wahres Blut Christi aufgrund seines Wortes; es ist vorher und hinterher von Brot die Rede

- Die thomistische Transsubstantiationslehre widerspricht nicht nur der Schrift, sondern auch Aristoteles: die Substanz ist nicht von den Akzidentien abtrennbar

- Die Transsubstantiationslehre kann zwar als Meinung vertreten, muß aber nicht geglaubt werden. Wir müssen die göttliche Wirkungsweise nicht philosophisch verstehen. Man muß es einfach im Glauben an das Wort fassen.

- Die Gefahr der Götzenverehrung ist nicht gegeben, wenn der im Brot verborgene Christus angebetet wird.

- Parallele zur Christologie: auch Christus ist als Gott Mensch und als Mensch Gott.

3. Die Messe als Werk und Opfer

a) der Testamentsgedanke:

- ein Testament beinhaltet

1. den Tod des Testators

2. die Verheißung der Erbschaft (= die Sündenvergebung)

3. die Einsetzung der Erben (= für euch und für viele)

- alle atl. Verheißungen haben ihre Gültigkeit von diesem Testament her; in ihnen ist also schon der deus moriturus und damit auch die Menschwerdung Gottes inbegriffen

- die Verheißung des Testaments verlangt nicht Werke, sondern Glauben; Reihenfolge: Gottes Verheißung - Glaube des Menschen - Werke

- die Verheißung wird im Zeichen als Vergewisserung verdeutlicht; größere Kraft liegt aber im Wort als im Zeichen.

- fides non est opus! Das Empfangen von Verheißung und Zeichen ist kein Werk! non communicamus active, sed communicamur passive!

- die richtige Vorbereitung zur Messe ist Betrübnis über die Sünde

- die Werke der Gebete bei der Messe kommen aus dem Glauben, dieser wiederum aus dem Sakrament

- Opfer sind die gesammelten Speisen nach 1.Kor.11; die Elevation der Elemente ist entweder Dankgebet oder Reizung zum Glauben (-> Messe auf deutsch!)

- die Messe ist "summa et compendium evangelii" -> Auslegung in der Predigt

 

Ulrich Zimmermann