24.08.02 10:23 Type" CONTENT="text/html; charset=windows-1252"> Martin Luther, DE VOTIS MONASTICIS MARTINI LVTHERI IVDICIVM

DE VOTIS MONASTICIS MARTINI LVTHERI IVDICIVM

Exzerpt nach WA 8,573-669

Widmungsbrief an seinen Vater:

Luther hat eingesehen, daß er, als er Mönch wurde, nicht nur gegen den Willen seines Vaters, sondern damit auch gegen das göttliche Gebot des Gehorsams gegen die Eltern verstoßen hat. Aber sein Gelübde war nicht freiwillig: "neque enim libens et cupiens fiebam monachus, multo minus vero ventris gratia, sed terrore et agone mortis subitae circumvallatus vovi coactum et necessarium votum". Es war auch gottlos, weil es nicht freiwillig war und auf Menschenlehren und Aberglauben beruhte. Doch auch sein Vater ging aus Eitelkeit am göttlichen Gebot vorbei, als er Luther in seiner Autorität dem Mönchsgewand entreißen wollte: Gott hatte mit diesem Weg seinen Plan und wollte Luther das Klosterleben durchlaufen lassen, damit er später wisse, woran er Kritik übt.

Auch die Enthaltsamkeit steht unter dem Gehorsam gegen Gottes Gebot: "Neque enim ipsa adeo continentia...quicquam valet sine obedientia mandati dei. Continentia non est mandata, obedientia vero est mandata." Die Belegstellen der Papisten (Sir. 26,20; Sap. 3,13) sprechen von einer keuschen Ehefrau! Ehelosigkeit ist etwas großes, wozu nur wenige Zugang finden.

Nun hat anstelle des Vaters der Herr Luther aus der Möncherei herausgenommen, sein Gewissen befreit und ihn in den Dienst des Wortes gestellt. Diese Berufung steht noch über der Autorität der Eltern (Mt. 10,37). Durch die Verführung des Papstes sind allerdings noch viele den Eltern ungehorsam.

Abschließendes Zitat aus der Freiheitsschrift: "Christus me absolverit a voto monastico, et tanta libertate me donarit, ut, cum omnium servum fecerit, nulli tamen subditus sim nisi sibi soli." Christus hat Luther seinem Vater genommen, um durch ihn vielen anderen Söhnen zu helfen. Für dieses Zeugnis für Christus ist er sogar zum Martyrium bereit.

Luther will mit diesem Buch denen helfen, die von Gewissensnot und Sünde geplagt werden, damit sie durch Gott von menschlichen Traditionen (den Mönchsgelübden) befreit werden. Es geht nicht darum, ob ein Gelübde zu halten ist (das ist es), sondern welche Gelübde nach der Schrift wahre Gelübde sind.

 

I. Die Gelübde gründen sich nicht auf Gottes Wort, sondern widersprechen ihm.

Es gibt kein Beispiel für sie, weder in der Schrift noch in der Alten Kirche. Paulus hielt das Gesetz mit den Juden und gab es bei den Heiden auf. Antonius, Vater der Mönche, lebte nach dem Evangelium ohne Gelübde als Mönch in der Wüste. Christus ist die alleinige Autorität (Joh. 14,6 u.v.a.). Mt. 17,5 verdammt alle Gesetze und Traditionen außerhalb von Christus ("extra Christum") - so auch die Mönchsgelübde mit dem Anspruch, über Christus hinaus höher und vollkommener zu leben. Sie müssen als etwas Menschliches freigegeben werden. Auch Franziskus sagte, seine Regel sei das Evangelium Jesu Christi - dieses gibt die Keuschheit frei! Dann geriet er aber wegen der Verächter des Evangeliums oder durch den Papst in den Irrtum, das allen Gläubigen gemeinsame Evangelium ("commune Euangelium cunctis fidelibus") im Sinne der Räte zu einer Sonderregel für wenige zu machen. Man kann das Evangelium, das man schon längst in der Taufe gelobt hat, nicht von neuem geloben.

Über die Gründe derer, die Gelübde ablegen:

1. Die Unterteilung des Evangeliums in Räte und Gebote ("consilia et praecepta"): Doch das Evangelium ist allgemein: es enthält die Verheißungen und Gebote Gottes, die allen Menschen verkündigt werden sollen (Mk. 16,15 u.a.). Was im Evangelium Ermahnungen ("exhortationes") sind, wird nun zu Räten und Geboten ("consilia et praecepta") gemacht.

Es ist Gotteslästerung, ausdrückliche Gebote Gottes in Räte umzuwandeln. Dies bezieht sich fast nur auf die Ermahnungen Christi in der Bergpredigt (Mt. 5,25.39ff.). Mt. 5,1.2.17.19.20 u.v.a. sagen aber eindeutig, daß Jesu Lehren die notwendige Erfüllung der Gebote meinte. Die Umwandlung in Räte hat eindeutig keinen Schriftgrund.

2. Die Klöster isolieren sich vom gemeinsamen Weg der christlichen Wahrheit ("monasteria, quia solitaria sine Christo, extra communem viam Christianae veritatis longissime posita"). Also verleugnen die Klostergelübde die Wahrheit Gottes und sind Gotteslästerung, von Gott verboten und verdammt.

Von der Jungfräulichkeit:

1. Die Jungfräulichkeit ist tatsächlich ein Rat (1.Kor. 7,25). Die Keuschheitsgelübde machen nun aber hier aus dem evangelischen Rat ein Gebot und widerstreiten so diametral dem Evangelium ("Pugnant ergo ex diametro votiva castitas cum Euangelio"). Dies ist der dritte Grund gegen die Mönchsgelübde. Nur die Auserwählten können geistlich in guter Weise damit umgehen.

2. Die Unterscheidung in den Stand der Unvollkommenheit (für das Volk) und der Vollkommenheit (für die Mönche). Doch: "Perfectionis status est, esse animosa fide contemptorem mortis, vitae, gloriae et totius mundi, et fervente charitate omnium servum." Gerade die Mönche löschen aber den Glauben aus, weil sie auf Werke und Gelübde vertrauen.

Außerdem mißt sich der status perfectionis nicht an den Räten, sondern den Geboten; letztere stehen über den Räten; über dem Rat der Enthaltsamkeit steht das Gebot, daß man nicht begehren solle. "At sine concupiscentia neque virgo neque coelebs est in hac vita." Christus und Paulus loben die Ehelosigkeit nicht, weil sie ein seligmachendes Werk ist, "cum sola fides salvos faciat", sondern weil ein Unverheirateter der Predigt des Evangeliums freier dienen kann. Und das nicht, um sich dadurch das Himmelreich zu verdienen, sondern um es, nachdem man es bereits empfangen hat, anderen mitzuteilen.

Die Lehre von den Räten und dem status perfectionis ist eine Lüge Satans, um vom richtigen Weg wegzuführen. Außerdem hat man sich hierbei nur auf drei Räte beschränkt und mißachtet alle anderen Räte (Feindesliebe, Verzicht auf Rache etc.). Und selbst diese drei Räte hat man verfälscht:

- zum Gehorsam: das Evangelium befiehlt, sich allen unter-zuordnen, die Mönche ordnen sich aber nur ihrem Oberen unter und sind bei Verletzung der Regel seinerseits sogar wieder vom Gehorsam entbunden. Somit verleugnen die Gelübde das Evangelium ("Euangelium vovendo negare").

- zur Armut: "Euangelica paupertas est nihil cupere in spiritu et res libere administrare ad aliorum commodum." Die innere Begierde wurde in der Taufe verleugnet; was den äußeren Gebrauch der Dinge anbetrifft, so gebrauchen die Mönche sie entgegen ihrem Gelübde mehr als alle anderen zu ihrem eigenen Vorteil.

Gehorsam und Armut hat Satan ins Gegenteil verkehrt. Die Keuschheit hat er zwar stehen lassen, doch wird sie am Glauben vorbei gebraucht und ist so der Natur unmöglich; so hat Satan mit ihr viele in seiner Schlinge der Lüste gefangen. Franziskus und die Väter wollten "plena fide ardenteque charitate" dem Evangelium würdig leben; ihre Nachfolger haben nur ihren äußeren Wandel angenommen und ihren Geist und Glauben verlassen.

An den Heiligen sind nicht die Werke entscheidend, die Gott verborgen und sehr unterschiedlich durch sie wirkt, sondern der allen gemeinsame Glaube. Man soll dem Glauben der Väter nachfolgen (Hebr. 13,7), nicht ihren Werken oder gar ihren Irrtümern. Es folgt ein Beleg der Einzigartigkeit des Glaubens und die Verwerflichkeit des eifrigen Vertrauens auf Werke durch Übersetzung und Exegese von Psalm 61(62).

 

II. Die Gelübde sind gegen den Glauben

Röm 14,23 "Alles, was nicht aus dem Glauben kommt, ist Sünde" - so auch die Mönchsgelübde, "si perpetua, necessaria et non libera sunt". Gegner und Schwache sagen, hier sei nicht der christliche Glaube gemeint, sondern das Gewissen. Wer aber gegen das Gewissen handelt, baut sich den Weg zur Hölle. Ferner unterscheiden sie viele Arten von Glauben. "Wer nicht glaubt, wird verdammt" (Mk. 16,16) - auch ein Mönch, so keusch, gehorsam und arm er sein mag. Werke im Unglauben sind Sünde, weil ein schlechter Baum keine guten Früchte bringen kann. Dies zu bestreiten, ist Gotteslästerung. Joh. 3,18.36 sprechen von dem Glauben, der lebendig macht! Das soll der Maßstab sein und nicht das Urteil des menschlichen Verstandes: "ad verba fidei aptandus est noster sensus" (2.Kor. 10,5).

"Vota monastica extra fidem facta et servata sunt peccata, per hoc et irrita, damnabilia, revocanda et omittenda, aut aliter denuo vovenda et servanda."

Auch das Gewissen bezieht sich auf alle Werke, die außerhalb des Glaubens an Christus geschehen. Gegen das Gewissen sündigt man, wenn man nicht fest glaubt, daß das Werk Gott gefällt (aufgrund seiner Güte, nicht um des Werkes willen). Eine solche Gewißheit verneinen die Gegner, weil sie Anmaßung sei. Der Glaube an das Wort Christi (die Verheißung) schenkt Gewißheit, Gott wohlgefällig zu sein, "propter Christum sibi donatum". Wer nicht glaubt, handelt gegen das Gewissen, und wer gegen das Gewissen handelt, glaubt nicht.

"Memento...opera ante fidem esse peccata, solam fidem sine operibus operari remissionem peccatorum, iustificationem et bonam conscientiam, opera vero post fidem esse fructus iam iustificati hominis ex remissione peccatorum et bona conscientia, hoc est, ex fide et charitate provenientes". So gehen die Gelübde als Gesetz und Werke am Glauben vorbei und verleugnen Christus. Durch Gelübde selig werden zu wollen heißt: "id operibus tribuitur, quod fidei est". In der Meinung, die Gnade der Taufe sei nichtig geworden, sucht man mit den Gelübden als zweitem Brett der Buße dem Schiffbruch zu entfliehen. "Quam primum fidei scientia revelatur, caetera omnia non necessaria ad iustitiam inveniuntur." Diese Verleugnung Christi und Verachtung des Glaubens ist Grund genug, die Gelübde zu widerrufen. Mit der Autorität von 1.Tim.4,1-3 kann Luther die Mönche von ihren Gelübden lossprechen wie vorher die Priester von der Ehelosigkeit.

Auslegung von 1.Tim. 4,1-3: Die Papstanhänger deuten diese Stellen ausschließlich auf die Tatianer und Manichäer. Tatsächlich verboten diese die Ehe bzw. Speisen nicht nur, sondern verdammten sie als Sünde. Der Papst verdammt Ehe und Speisen zwar nicht, verbietet sie aber aus Heuchelei. Paulus meint aber alle, die diese Dinge verbieten. Also ist die Stelle in diesem Punkt sowohl auf Tatianer und Manichäer als auch auf die Papisten zu beziehen, die dem heiligen Geist in diesem Pauluswort widerstehen und dämonische Lehren vertreten.

Zwar geloben die Mönche freiwillig die Ehelosigkeit, im Gegensatz zu den Priestern, doch gibt es für Luther drei Gründe, diese Gelübde nun für nichtig zu achten:

1. Paulus spricht von dämonischen Lügen: Die Mönchsgelübde lehren gegen den Glauben die Gerechtigkeit aus Werken, nämlich durch den angeblich vollkommeneren Weg in Gehorsam, Armut und Keuschheit.

2. Der Verkauf und die Mitteilung von guten Werken, Verdiensten und Bruderschaften an andere: die Mönche lehren also, daß die Werke nicht nur ihnen selbst, sondern auch anderen zum Heil dienen.

3. Die Verheißung der Seligkeit, wenn man im Sterben die Mönchskutte anzieht. Jeder muß für sich selber glauben: "Sua enim cuiusque fides et necessaria et satis est ad remissionem peccatorum et ad salutem, quae nobis Christum affert".

Christus weissagt, daß viele sich in seinem Namen als Christus ausgeben werden (Mt. 24,5): Die Papisten maßen sich Amt, Person und Werk Christi an, dem es allein zusteht, durch seine Verdienste und Werke andere zu retten. Niemand sonst kann das (-> Röm. 1,17). Der Glaube vertraut allein auf die Werke Christi zur Rettung von Sünden und zur Rechtfertigung.

Mönch zu werden ist also dasselbe wie vom Glauben abzufallen und Christus zu verleugnen, wenn man nicht durch ein Wunder bewahrt wird. 1.Tim. 4,1 bezieht sich gerade auf die Mönche, da Paulus von denen spricht, die den Geistern des Irrtums anhängen. Deshalb kann und muß man die Mönchsgelübde aufgeben. Man kann zwar durch den Glauben gerettet werden, auch wenn man in Gelübden lebt (wie z.B. St. Bernhard), doch muß man das Gelübde, die Werke zu halten, brechen: "Opus vero non potest doceri, nisi ledas fidem, cum fides et opera in re iustificationis extreme adversentur."

Die heutigen Mönche sind dem Beispiel der Väter nicht gefolgt, die letztlich doch ihre Gelübde für nichts achteten und sich allein auf den Glauben verließen. Wenn Heilige sich in den Anfechtungen der Welt und des Fleisches bewähren, muß man deshalb noch nicht Welt und Fleisch geloben. Die Mönche lehren nämlich nicht, daß man im Mönchsleben, sondern durch das Mönchsleben gut lebt. Bernhard, Augustin und Paulus (Gal.2,20) rühmten sich allein Christi und nicht ihrer Werke. "Anathema sit, qui aliud docuerit, quam in sola fide esse iustitiam et salutem." Deshalb müssen die Gelübde widerrufen werden, auch wenn sie in frommer und ernster Meinung abgelegt wurden. "Summa summarum: Opera et vota nec doceri nec persuaderi possunt, nisi ea salutaria et utilia dicas ad salutem et iusticiam." Dies bedeutet aber Abfall von Christus und vom Glauben sowohl für die Lehrer als auch für deren Anhänger: "At opera aestimare est fidem negare, baptismum revocare, Christum repudiare".

Gott versucht die Mönche dadurch, daß sie es nicht schaffen, ihre Gelübde vollständig zu erfüllen, zu sich zurückführen.

Im Bewußtsein der vorherigen Rechtfertigung aus Glauben kann man allerdings ein Gelübde ablegen "quandoquidem in carne vivendum est, nec ociandum est,...exercendi corporis gratia, ad serviendum proximo, ad meditandum in verbo tuo". "Quia stat sententia: 'Iustus ex fide vivet', ex operibus nemo vivet, quare nec ex votis vivet." Man kann die Gelübde im Glauben richtig gebrauchen, wobei allerdings nicht die Gelübde die Hauptsache sind, sondern der Glaube.

III. Die Gelübde sind gegen die evangelische Freiheit

Die Gelübde widerstreiten der Frucht des Wortes und des Glaubens (I+II), der christlichen, evangelischen Freiheit ("fructui verbi et fidei, nempe Christianae et Euangelicae libertati"). Ein Gelübde darf nicht gegen das erste Gebot verstoßen. "Votum autem Christianum et pium non est, nisi quod illesa fide vovetur. Illesa fides tunc est, quando votum pro re libera et non necessaria ad iustitiam et salutem habetur". Vor allen Werken müssen Gerechtigkeit und Heil da sein, die allein Gott gibt und in uns wirkt (Eph. 2,8 u.v.a.). Gelübde in der Meinung, durch sie Gerechtigkeit und Heil zu erlangen, sind gegen diese.

Was die christliche Freiheit ist:

Wenn ein Gelübde nicht notwendig zu Gerechtigkeit und Heil ist ("votum,...quod ad iustitiam et salutem non necessarium aestimetur"), ist es frei und lösbar ("liberum esse eiusmodi votum et omitti posse"). Die Werke (auch die der Gelübde) sind in den Zehn Geboten befohlen: "Neque enim possunt omitti, etiam praesente fide, quae sola iustificat, cum sint fructus fidei iustificantis." Die evangelische Freiheit hebt nicht die Gebote Gottes auf!

"Est itaque libertas Christiana seu Euangelica libertas conscientiae, qua solvitur conscientia ab operibus, non ut nulla fiant, sed ut in nulla confidat." Sie vertraut im Glauben allein auf die Barmherzigkeit und die Werke Christi. Ihre eigenen Werke tut sie "gratis" zum Wohl des Nächsten und zur Übung des Leibes. Man kann nicht durch eigene Werke das Gewissen heilen, die Sünden zerstören und die Gnade verdienen.

Der Papst und die Theologen löschen mit ihrer aristotelischen Lehre von der moralischen Besserung die Freiheit aus. Moralische Besserung ist Geschenk Christi, nicht mein Werk. Das Gewissen ist frei von den Werken "Christi solius operibus in baptismo super nos effusis et donatis". Die Werke sind dem Wesen nach, aber nicht dem Gewissen nach zu tun ("secundum substantiam, sed non secundum conscientiam"). Letzteres hieße Trennung des Gewissens vom Bräutigam Christus, der ihm alle Werke mitgeteilt hat. Nur in ihm werden die Werke wirklich dem Wesen nach erfüllt: "Necesse est enim et opera mutari..., ubi tu fueris intus mutatus, ut iam non tua sed Christi opera in te fiant." "Officium legis est, non exigere nostra opera, sed ostendere peccatum et impossibilitatem nostram" (Röm.3,20).

Ein Christ kann alle menschlichen Gesetze halten, also auch die Mönchsgelübde, sofern sie nicht den Geboten Gottes widersprechen und er nicht die Zuversicht des Gewissens auf sie setzt, sondern sie durch Christus im Geist der Freiheit hält. Die Mönche und Nonnen aber meinen einen besseren Weg zu gehen und bei Gott größeren Lohn zu erhalten - also üben sie Enthaltsamkeit in Knechtschaft der Werke.

Hieronymus lehrt in seiner Schrift gegen Jovinian die Jungfräulichkeit nicht aufgrund des Glaubens und damit gefährlich und schädlich. Er lehrt 1.Kor. 7,38 als Verdienst vor Gott, während Paulus hier doch das Freisein für Gott meint (s.o.). Jungfrau und Verheirateter kann sich der gemeinsamen Jungfräulichkeit des Glaubens in Christus rühmen (Gal. 3,28). Luther betont die Einheit aller im Glauben. Gott sieht nicht Werke oder Personen, sondern das Herz und den Glauben an: "Melior est tibi pium et liberum coniugium, quam mercenaria et impia virginitas."

Wenn auch ein Gelübde fromm sein kann, führt doch die Lehre von den Gelübden weg von der Freiheit des Geistes hinein in Knechtschaft und Zwang. Die Gelübde sind keine Gebote, weil sie der christlichen Freiheit widersprechen. Diese ist göttliches Recht ("Ea enim libertas divini iuris est") und darf nicht durch menschliche Satzungen eingeschränkt werden (Gal.5,13; Kol.2,20-23) - so auch nicht durch Gelübde von Armut, Gehorsam und Keuschheit. Es ist Sünde, unter Zwang zu stellen, was Gott durch sein Gebot freigestellt hat (1.Kor. 7,37!): "vota religionum et universam monasticam esse adversus libertatem Euangelicam et divinis mandatis prorsus prohibita, cum negari nequeat, esse meras hominum doctrinas? Neque enim minus peccatum est, violare libertatem divinitus statutam..." Gelübde müssen also wieder lösbar sein. Wieder Zitat der Freiheitsschrift: "Aperta est et irrefragibilis Euangelii sententia, damnari doctrinas hominum et liberas eas, nosque illarum dominos esse, quare non possumus earum fieri servi".

Verweis auf die Alte Kirche: Dort gab es die zeitweilige Unterrichtung der Jugend im Glauben und der Zucht, danach wurden sie wieder freigegeben. Nun hat man die Jugend in der Knechtschaft der Gelübde gefangen, weil dies für die Erzieher einfacher ist. "Humanum inventum est votum".

Die Freiheit, die Ehelosigkeit aufzugeben und zu heiraten, bedeutet nicht umgekehrt die Freiheit, die Ehe zu verlassen, um ehelos zu leben. Die evangelische Freiheit besteht zwischen Gott und dir, ein Bund mit dem Nächsten ist einzuhalten; ein Verheirateter steht unter Recht und Gewalt des anderen! Die Freiheit des Evangeliums, die Gott in der Taufe gegeben hat, wird in die Knechtschaft des Gelübdes der Ehelosigkeit geführt; man will sich Gott vor allen anderen zum Gemahl machen.

Schlußfolgerung: "quod paupertas, obedientia, castitas perpetuo servari potest, voveri, doceeri, exigi non potest. Quia in servando manet libertas Euangelica, in docendo, vovendo, exigendo non manet". "Non ergo damnamus rem votorum, si quis eam cupiat sequi, sed doctrinam et praeceptum eiusdem damnamus."

 

 

 

IV. Die Gelübde sind gegen die Gebote Gottes

A. Die erste Tafel

Das Mönchtum darf nicht zur Lehrgestalt erhoben werden, da auch wie Bernhard unter dem Gelübde ohne Gelübde und Paulus unter dem Gesetz ohne Gesetz lebte.

Die Möncherei streitet gegen die erste Tafel der Gebote: gegen das erste Gebot, indem sie den Glauben verachten und Werke leeren, das zweite, indem sie den Namen Gottes verachten und auf ihren eigenen Ordensnamen zur Seligkeit vertrauen, und gegen das dritte, indem sie nicht auf das Werk Christi, auf dessen Werk sie getauft sind und dem der Sabbat geheiligt ist, sondern auf ihre eigenen Werke vertrauen. Hiermit wird Christus verschwiegen: "Nonne hic tacetur Christus totus?" Wer sich auf Werke und Gelübde stützt, sucht in seinem eigenen Namen Heil und maßt sich den Namen Christi an (Apg. 4,12; Mt. 24,5 s.o).

Das Mönchtum ist ein Aufruhr gegen Christus, da es gegen den Glauben auf eigene Werke vertrauen lehrt, und erregt Spaltungen im Volk Christi. Sie reden sich zwar damit heraus, daß die Heiligkeit der Orden geringer und vom Allerheiligsten, Christus abgeleitet sei, und doch lehren sie gotteslästerlich, das Mönchtum sei heiliger als der allgemeine Stand der Gläubigen und reißen so die Gläubigen von Christus los. Sie spornen vom Größeren weg zum Geringeren an; es sollte allein Christus als heilig gelehrt und nichts anderes Heiliges erdichtet werden. Der klösterliche Gottesdienst geschieht nicht, um zu lehren und den Glauben zu nähren, im Sinne von 1.Kor. 14, sondern um ein Werk zu vollbringen (so auch die Messe). Dieser falsche, Gottesdienst, der Gott verspottet, wird sogar von den Ungläubigen verachtet und ist daher für die Gläubigen noch mehr ausreichender Grund, die Mönchsgelübde zu brechen. Wer hierin sein Gelübde als Irrtum einsieht, darf es ändern, da es auch von Gott verworfen ist.

 

B. Die Gelübde sind gegen die Liebe (die zweite Tafel)

Die zweite Tafel läßt sich zusammenfassen in den Gehorsam gegen die Eltern und die Liebe zum Nächsten. Dem haben sich auch die Gelübde unterzuordnen: "Qui enim voverit aut votum servaverit contra obedientiam parentum et contra charitatem proximi, anathema sit" (vgl. 1.Tim. 5,8). Mt. 10,37 u.a. sprechen vom Glauben an Christus und gelten allen.

Hier liegt die größte Gottlosigkeit ("summa impietas") der Gelübde vor. Die Verleugnung des Christseins und des Glaubens bei der ersten Tafel wird als subtiler Irrtum entschuldigt. Bei der zweiten Tafel verstoßen die Gelübde gegen die offenen Gebote Gottes; dies ist dem Gelöbnis von Mord oder Ehebruch gleichzusetzen.

Widerlegung der vorgebrachten Gründe:

1. Gehorsam sei besser als Opfer (1.Sam. 15,22): deshalb sei der Gehorsam gegen den Vorgesetzten dem Dienst am Nächsten übergeordnet. Doch spricht dieses Wort gerade gegen die Mönche, die sich Gott als Opfer hingeben wollen und damit gegen den Gehorsam gegen Gottes Gebot verstoßen. Sie haben Gehorsam und Liebe gegen Eltern und Nächste, in der Taufe gelobt, aus dem öffentlichen Leben entfernt und in den Winkel des Klosters geführt -> Mk. 7,9! Dabei würden diese beiden nicht einmal gegen Gehorsam, Armut und Keuschheit verstoßen. Wenn man von Eltern oder Nächsten gebraucht wird, ist das Gelübde nicht mehr bindend. "Monasticum enim votum pro mandatis, non adversus mandata dei valere debet et semper eisdem cedere". Zum Argument, der Gottesdienst nach dem ersten Gebot habe Vorrang vor dem Gehorsam gegen die Eltern nach dem vierten Gebot: Die Gebote (Liebe und Gehorsam) zu halten ist der wahre und allen gemeinsame Gottesdienst - es sei denn, Eltern oder Nächste würden zur Verleugnung des Glaubens auffordern.

2. Die geistlichen Väter gingen den fleischlichen vor: Geistliche Väter sind die, die den Gehorsam gegen Gottes Gebote lehren - da die Mönche aber Menschengebote lehren sind sie höchstens geistliche Väter nach dem Geist des Irrtums. Um Glauben zu lernen, muß man sich nicht unbedingt Eltern und Nächsten entziehen. Wie eine Frau das Recht hat, ihren Mann aus dem Kloster zu holen, so auch die Eltern ihre Kinder - letztere haben um ihres Heils willen Folge zu leisten. Sonst könnte man mit dem Anspruch geistlichen Rechts ja auch Ehen und politische Verträge auflösen.

3. Unter den Klosterbrüdern werde die Liebe ja auch geübt: Dies ist erdichtete Liebe, da sie sie nur an die Ihrigen binden und die anderen vernachlässigen, ja andere Orden bekämpfen: "Charitas enim libera est" und wendet sich allen, Freund und Feind, zu (1.Kor.13). Die klösterliche Praxis wäre dann zu dulden, wenn darin die Jungen im wilden Alter zur Liebe erzogen würden, um sie später draußen praktizieren zu können. Wer im Kloster die Liebe aufrichtig praktiziert hat, hat es nicht im Sinne des Gelübdes getan; ansonsten sind die Gelübde als den Geboten Gottes widerstreitend nicht zu halten: "manet...necessarium, mutare et revocare hoc votum et redire ad libertatem Christianam et mandata divina."

 

V. Das Mönchtum ist gegen die Vernunft

Die Vernunft kann zwar nicht erkennen, was Gott ist, aber das, was er nicht ist (z.B. Mord als Unrecht, vgl.a. 1.Kor.11,14f.).

1. Das Problem der Unmöglichkeit:

Wenn ein Gelübde unmöglich geworden ist, ist es kein bindendes Gelübde mehr: z.B. Krankheit oder Tod bei einem Wallfahrtsgelübde oder Schwachheit des Fleisches beim Keuschheitsgelübde. Es war dann ein bedingtes und zeitliches Gelübde. Das Argument, Gott belohne schon den Willen, zählt nicht, da ein Gelübde immer auf das Werk zielt (Ps. 76,12) und so auch die Unmöglichkeit mit einschließt. Der Einwand, man müsse nur Gott um Gnade bitten, das Gelübde halten zu können, zählt nicht, daß Gott vielleicht in einer Sache nicht hören will. Jeder muß selbst prüfen, ob er nach Gen. 1,28 zur Ehe berufen oder von diesem Gesetz ausgenommen ist. Zum Argument, nur äußere Hindernisse seien zuzulassen, z.B. Tyrannei, innere seien durch vollkommenen Willen zu überwinden: der innere Tyrann des bösen Willens befindet sich nicht in unserer Gewalt! Vgl. Röm. 7,19; Gal. 5,17. Letzter Einwand: Wird dann durch Schwachheit des Fleisches nicht auch Hurerei entschuldigt, wenn die Gebote Gottes unmöglich sind? Nein, denn dazwischen liegt ja die Ehe. So soll ein Schwacher heiraten dürfen. In der Ehe ist dann das Gesetz der Keuschheit möglich, auch wenn das Gelübde unmöglich ist.

Kein Mönch hat außerdem je sein Gelübde vollständig gehalten, z.B. bestimmte Speisegebote bei Verhinderung durch Krankheit. Warum kann ein Vorgesetzter im Kloster in unbedeutenden Dingen vom Gelübde dispensieren, aber in so etwas wichtigem wie der Keuschheit nicht (Mt. 23,24)? Wenn man in einem Punkt des Gelübdes dispensieren kann, dann in allen; und bei der Keuschheit gibt es mehr dringende Gründe. Außerdem wird durch die Praxis des Dispensierens die Einrichtung der Gelübde sowieso fragwürdig, da man das klare Wort Gottes mißachtet (Ps. 76,12).

Die Strenge bei der Keuschheit wird mit ihrer Unvergleichlichkeit (nach Sir. 26,20) und ihrer Unwiderherstellbarkeit begründet. Durch Hieronymus' Lob der Keuschheit wird das Werk dem Glauben vorgezogen. Gott kann wie bei jeder Tugend sowohl geistige als auch fleischliche Jungfräulichkeit nach dem Fall wiederherstellen!

Die Unterscheidung in bedeutende und unbedeutende Elemente des Gelübdes stellt die Erfüllung des Gebotes menschlichem Gutdünken anheim und verspottet so Gott (Mt. 5,18.19!). Zwischen den Werken ist kein Unterschied; es kommt auf den Glauben an, der dahintersteht: "Ad fidem, inquam, omnia exigenda sunt." Bei den Werken geht es um den Gehorsam, nicht die äußere Gestalt der Werke.

Da die vollständige Erfüllung der Gelübde unmöglich ist, traf man die Unterscheidung in bewegliche und unbewegliche Gelübde ("substantialia" und "accidentalia"), letztere sind Gehorsam, Armut und Keuschheit. Doch diese menschliche Unterscheidung spricht gegen Ps. 76,12: "Verbum et praeceptum dei stat in seculum seculi".

Nur durch ein göttliches Wunder kann man aus dem babylonischen Ofen der Gelübde gerettet werden, wenn man dem reinen Evangelium Gottes in der Freiheit des Geistes anhängt.

Da das Gelübde nicht nur dem Wort Gottes, dem Glauben, der Freiheit und den Geboten Gottes widerspricht, sondern auch in sich selbst uneins ist, ist es schleunigst aufzugeben. Auch das Beispiel der Heiligen ist am Wort Gottes zu messen und nicht umgekehrt, wie die Mönche es tun.

 

Zum Schluß:

Wenn zwei jener drei Gelübde unbeweglich und von Gott genehmigt sind und nachgewiesen werden kann, daß zwei bei den Mönchen selbst frei sind, muß das dritte, die Keuschheit, auch freigegeben werden.

Zur Armut: Es gibt zwei Arten von Armut; einmal die geistliche (Mt. 5,3), d.h. die Dinge frei zu gebrauchen und nicht sein Vertrauen darauf zu setzen. Hier sündigen die Mönche zweimal: einmal, indem sie aus dem Gebot einen Rat machen, zum anderen, indem sie etwas anderes als in der Taufe zu geloben vorgeben und so die Taufe verachten.

Die zweite Art ist die leibliche Armut, d.h. vor allem, sich nicht mit eigenen Mitteln zu helfen, sondern fremder Hilfe zu bedürfen. Hier hatten die ersten Christen in der Apostelgeschichte alles gemeinsam - und Überfluß! Erst später setzte auch leibliche Armut ein. Die Mönche geloben allerdings weder geistliche noch leibliche Armut, sondern treten wegen des Reichtums der Klöster in diese ein. Nach allgemeinem Verständnis bedeutet Armut Mangel an Nahrung und Kleidung und nicht, nur nichts Eigenes zu besitzen und dafür an gemeinsamen Gütern Überfluß zu haben. Also lügen die Mönchsgelübde im Blick auf die Armut. Und wenn Mönche Päpste, Kardinäle oder Bischöfe werden, verwalten sie eigenen Besitz. Man sagt dann, sie übten Gehorsam und träten in den Stand der Vollkommenheit. Doch das widerspricht sich selbst, da doch schon der Mönchsstand der Stand der Vollkommenheit sein soll.

Wenn die Armut doch so ein bewegliches Gelübde ist, warum nicht auch die Keuschheit? Und wenn das Gelübde ein göttliches Gebot ist - darf man dann nicht auch andere Gebote übertreten? Also ist das Gelübde kein göttliches Gebot ("Ex quibus conficitur, ut...impossibile sit, votum eiusmodi esse divinum praeceptum") und auch kein Stand der Vollkommenheit, da dieser nicht außer und gegen das Gebot sein kann. Wenn Mönch und Laie also gleichermaßen Bischof werden können, gilt entweder das Ordensgelübde nichts, oder der Mönch, der Bischof wird, ist verdammt. Der Vorwand des Armutsgelübdes dient dazu, den wirklich Armen nicht dienen zu müssen und es sich selbst gut gehen zu lassen.

Zum Gehorsam: Es gibt einmal den evangelischen, in der Taufe gelobten Gehorsam, durch den wir uns alle einander freiwillig unterordnen, und den leiblichen, der dem ersten nicht widerspricht und durch Notwendigkeiten entsteht (Ehefrauen, Knechte etc.). Auch hier sündigen die Mönche zweifach, da sie einmal den Gehorsam zu einem Rat machen und zum anderen für sich allein in Anspruch nehmen und so ihr Taufgelübde verleugnen. Der Gehorsam des Gelübdes allein gegenüber dem Vorgesetzten nach der Regel widerspricht dem allgemeinen evangelischen Gehorsam, auch wenn man diesen wie die Heiligen trotz des Gelübdes üben kann.

Viel vollkommener ist der Gehorsam von Gatten, Kindern, Knechten etc., die über den freiwilligen Gehorsam gegen alle hinaus ihren Oberen ohne Regel gehorsam sind. Kein Gehorsam widerspricht dem Evangelium mehr als der freiwillig gelobte der Mönche ausschließlich gegen ihre Oberen. So nennen sie Gehorsam, was im Vergleich zum Evangelium eigentlich Ungehorsam ist, ebenso wie sie Armut nennen, was eigentlich Reichtum ist. Der Mönchsgehorsam wäre höchstens als Schulung im evangelischen Gehorsam für junge Leute zu dulden, um ihn dann gegen Eltern, Herren, Gatten und alle Menschen zu üben; ebenso ist es mit dem Armutsgelübde als Schulung im Umgang mit Gütern.

Der Gehorsam scheint wie die Armut ein bewegliches Gelübde zu sein, da Mönche wie Weltmenschen Bischöfe werden und ihn so aufgeben können. Beidesmal nennt man es den Eintritt in den Stand der Vollkommenheit, je nach Belieben, ob ein Mönch Bischof oder ein Bischof Mönch wird. Wenn ein Mönch Bischof wird, geht er zu dem allen gemeinsamen Gehorsam über; auch wenn er Vorsteher wird, gibt er den gelobten Gehorsam auf. Damit verletzt er entweder sein Gelübde, wenn es denn ein Gebot Gottes ist, oder es war nur ein zeitweiliges, vorläufiges Gelübde. Und kann die Verletzung eines unbeweglichen Gelübdes der Eintritt in den Stand der Vollkommenheit sein? Zudem ist es das Amt der Bischöfe, das Wort Gottes zu predigen, was die Mönche ohnehin viel besser tun.

Das Gelübde des Gehorsams ist also beweglich wie kein anderes und zeigt am deutlichsten, daß das Mönchtum eine Erziehung der christlichen Jugend ist.

"Quare cum Euangelica forma vivendi sit perfectior, ad ipsam tandem post illam est redeundum, tanquam a parte ad totum" (vgl. 1.Kor. 13,10.11).

"Omnia ergo vota sunt temporabilia et mutabilia."

Allein die Keuschheit bleibt; sie wurde nicht verkehrt, sondern ihrem allgemein anerkannten Sinn nach, nämlich im Unterschied zur Ehe, beibehalten. Doch ist nirgends mehr unreine Lust und weniger Keuschheit als bei den vielen, die letztere gelobt haben. Sie ist selten und unmöglich, zumal die Mönche die Arbeit der Menschen nicht kennen. Unter den Mönchen wirkt Satan die Begierde nicht nur durch Hurerei oder Ehebruch, sondern durch die stillen Lüste ("solitarias libidines").

Hauptanziehungspunkt, Mönch zu werden, ist nicht die Keuschheit, sondern der Gottesdienst, obwohl er Gott abscheulich verspottet und sein Hauptstück, die Messe, in ein Opfer und Werk verkehrt wird. Mit diesem Betrug zieht der Satan Menschen in die Schlinge der Keuschheit und der lustvollen Begierde.

Das Gelübde ist wie jeder Vertrag nach dem gesunden Menschenverstand nichtig, wenn seine Bedingung böse ist (hier Gehorsam und Armut als evangelische Räte und unbewegliche Gelübde), seine Ursache gotteslästerlich (Verkehrung von Gottesdienst und Messe) und seine Absicht falsch ist (alles wird verdreht). "Non ergo tenet votum natura sua, imo rumpendum est".

Man darf die Keuschheit nicht als Werk über den Glauben erheben: "Non enim virgo aut castus, sed Christianus salvabitur." Umgekehrt kann das Gelübde der Keuschheit ohne Glauben nicht gottgefällig sein; sie kann auch ohne Gelübde gehalten werden. Das kann man nicht allgemein, sondern nur jeder nach seinem Gewissen entscheiden. Keuschheit und Jungfräulichkeit sind zwar größere Werke und Gaben als die Ehe ("virginitas et castitas maiora opera et dona sunt coniugio", vgl. Jes. 56,3-5; 1.Kor. 7,26.38), doch sind sie nichts ohne den allen gemeinsamen Namen Christi und den Gehorsam gegen Gottes Willen.

Wer nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandelt, vertraut auf die Vergebung Gottes für die Unmöglichkeit, das Gesetz zu erfüllen, auch das der Keuschheit, und kann in den Schranken der niedrigeren Keuschheit der Ehe bleiben, auch wenn die eheliche Pflicht nach Ps. 51,7 Sünde ist, die aber auch vergeben wird. Das Gelübde der Keuschheit hat Gott auch nicht geboten.

Man kann die Keuschheit im Geist der Freiheit und mit Freude geloben, aber nicht im Sinne des Mönchsinstituts; dieses Gelübde sucht gegen das Evangelium Gerechtigkeit in Werken des Gesetzes und ist daher nichtig.

Es soll in der Kirche als Reich Gottes nichts gelehrt werden außer dem Wort Gottes und nichts gewirkt werden außer dem, was Gott in uns wirkt, damit Gott durch Jesus gepriesen wird (1.Petr.4,11). Das gilt nicht von Papst und Mönchtum; in letzterem gehört Satan die Ehre durch St. Benedikt und andere Gottlose. "Ut ergo Christus non docet vota monastica, ita non operatur ea". Wir sollen uns nicht durch neue Lehren in die Fremde führen lassen (mh\ qeni/zesce 1.Petr. 4,12), auch wenn sie die Papisten in kirchlicher Lehrautorität verkünden. "Omnia ergo, quae non sunt verba et opera dei, hic damnat Petrus, hoc est, vota monastica solvit." Christus prophezeit die menschlichen Irrlehren der Papisten und Mönche in Mt.24,23-26, die von Christus, dem Glauben und dem Evangelium weg zu den Werken führen. "Quid hoc aliud est quam votum tuum, in aliam quam Christi doctrinam factum, esse revocandum et cassandum tanquam erroneum et impium?"

Die Torheit der Gelübde, besonders der Keuschheit, besteht darin, daß ein Mensch nichts geloben kann, was nicht in seiner Gewalt, sondern Gabe Gottes ist und nur erbeten werden kann. Ganz im Gegensatz dazu das Taufgelübde: "In baptismo est promissio dei offerens et nostrum vovere nihil aliud est, quam acceptare Christum, qui offertur nobis." "Hic plane nihil vovetur a nobis nostrarum rerum,...imo...deus vovet nobis et votum est ex parte dei promittentis simul et donantis gratiam et illud, quod exigunt eius praecepta."

Eine weitere Torheit ist das Probejahr ("annus probationis"), in dem sich der Novize nicht etwa die Gewohnheiten ansehen kann, sondern erproben soll, ob er keusch leben kann, als ob man die Erprobung der Keuschheit an der Zahl der Tage statt am Vermögen des Geistes messen könnte! Das ganze Leben soll ein Probejahr sein. Denn wer weiß, ob nicht erst nach zwei oder drei Jahren keuschen Lebens die Begierde erwacht? Deshalb kann das Keuschheitsgelübde, das sich auf das Probejahr stützt, nicht sicher sein. Aus dem gleichen Grund soll man auch nicht nur bis zum 18. Lebensjahr die Möglichkeit einräumen, aus dem Kloster auszutreten, wie es von manchen gehandhabt wird.

(Mk. 2, 25-28: Sabbat und Schaubrote sind göttliche Gebote, aber diese haben immer Ausnahmen in Notfällen: "Quare hic evidens est, etiam divina mandata semper habere exceptos casus necessitatis"); Gott hat seine Gebote nicht gegeben, um Leib und Seele zugrundezurichten, sondern zu bewahren. Genauso kann das Keuschheitsgelübde bei Not und Gefahr für Leib und Seele aufgegeben werden (1.Kor. 7,9), wie auch Mundraub in Not geschehen darf (vgl. Thomas von Aquin). Maßstab ist die Liebe (Röm. 13,8): "Nihil ergo contra charitatem, nihil ultra charitatem ligat aut ligare potest." Deshalb kann man von der Keuschheit, nicht aber von Ehebruch oder Mord dispensieren. "Volet [Christus Z.1] enim misericordiam magis quam illiberale illud castitatis sacrificium." Das Keuschheitsgelübde ist um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Keuschheitsgelübdes willen gemacht! Wer diese Freiheit der Gläubigen Christi ("libertatem fidelium Christi") begreift, soll zuversichtlich heiraten. Die päpstliche Dekretale, die behauptet, man könne Gott nicht in der Ehe dienen, ist Gotteslästerung. Es wird nicht behauptet, die Ehe sei ohne Beschwerden; das Gewissen soll aber von den Beschwerden befreit werden: "conscientiam liberamus molestia, non coniugium.")

Über die Witwen bei Paulus 1.Tim.5:

1.Tim. 5,11.12 sprechen nicht von den Gelübden - diese Einrichtung gab es in der Alten Kirche gar nicht -, sondern von den jungen Witwen, die gegen den Glauben an Christus der Wollust folgen. In dem ganzen Kapitel ist die Rede von alleinstehenden Witwen, die von der Gemeinde versorgt werden mußten. Wenn diese Stelle aber doch auf die Gelübde bezogen ist, besagt sie, daß vor dem 60. Lebensjahr kein Gelübde abgelegt werden darf (V.9) und die Jüngeren heiraten sollen (V.11-14)!

Da also die Gelübde gegen das Evangelium streiten, Dinge zur Sünde machen, die Christus freigegeben hat, und die Gewissen verstricken, sind sie gottlos und nichtig: "vota ista...cum tota fiducia deserenda sunt et ad libertatem fidei Christianae redeundum."

Luther will mit seiner Schrift weniger seinen Gegnern das Maul stopfen als vielmehr die Gewissen zum Vertrauen Gegen Gott und zur frohen Freiheit führen und sie auf Gottes Wort gründen. Wer nun daraufhin das Kloster verlassen und zur Freiheit zurückkehren will, soll sein Gewissen prüfen, daß er nicht aus Neugier oder Menschenverachtung handelt, sondern sich auf Gottes Wort stützt. Deshalb stellt Luther 1.Petr. 2,16 und Gal. 5,13 gesperrt gedruckt ans Ende der Schrift.

Ulrich Zimmermann